Li-Jun Cai hat in seinem Heimatland China Elektrotechnik studiert und bringt praktische Erfahrungen aus der Wirtschaft mit an die Universität. Bevor er nach Rostock kam, war er beim Netzbetreiber 50Hertz Transmission GmbH sowie bei dem Windturbinenhersteller Senvion SE tätig. „Um die Gesamtheit aus Erzeugung, Verbrauch und Speicher intelligenter zu machen, brauchen wir intelligente und stabile Stromnetze.“ Denn Deutschland forciere die Energiewende mit großen Schritten. Aber genau da liege aus Sicht von Professor Cai das Problem: Frequenzstabilität, Spannungsstabilität, Winkelstabilität und Resonanzstabilität der smartgrids müssen im Gleichgewicht bleiben, „sonst kommt es zum blackout“.
Aktuell entwickelt das Team um Professor Li-Jun Cai eine Software zur Regelung des Stromnetzes, ein so genanntes Intelligentes Stromnetz, das das Angebot von Energie und Nachfrage ausgleicht, also die Versorgungssicherheit der aus Wind und Sonnenlicht erzeugten Energie gewährleistet und mögliche Instabilitäten ausbalanciert. In einem intelligenten Energie-Netzwerk kommunizieren die verschiedenen Bausteine, von der Stromerzeugung über dessen Transport, seine Speicherung und Verteilung bis hin zum Verbrauch der elektrischen Energie, miteinander. „Wir müssen wissen, wer wann wie viel Strom benötigt, und wie viel davon ins Netz eingespeist wird“, erläutert Cai. Die Herausforderung: die überschüssige Energie vom Tag muss für später gespeichert werden können. Nur so können Photovoltaik- und Windkraftanlagen, das Elektroauto oder Pumpen- und Batteriespeicher zu effizienten Bestandteilen eines integrierten Daten- und Energienetzes werden.
Intelligente Stromzähler
Einer der Bausteine des intelligenten Stromnetzes sind die bereits seit einigen Jahren diskutierten intelligenten Stromzähler, die smart meter. Sie sollen vor allem helfen, die bisweilen minütlich schwankenden Einspeisungen durch erneuerbare Energieerzeugung, wie beispielsweise von Windparks auszugleichen. „Denn gerade Schwankungen sind ein ernstes Problem für Stromnetze, die weder eine Unter- noch eine Überlast vertragen. Ein smart meter meldet den aktuellen Stromverbrauch eines Haushalts oder eines Unternehmens an den Netzbetreiber“, sagt Professor Cai. Theoretisch könnten die intelligenten Stromzähler auch vernetzte Geräte steuern. Sie könnten die Geräte also optimieren, um das Stromnetz zu stabilisieren.
Sonne und Wind richten sich nicht nach dem Strombedarf
Frequenzstabilität als Beispiel: Lange wurde durch Kohle- und Atomkraftwerke sehr beständig Strom produziert. Dadurch sei die Energieerzeugung relativ leicht zu regeln gewesen. „Das könnte sich in Zukunft mit der wachsenden Zahl erneuerbarer Energien ändern, die noch dazu nicht immer die gleiche Menge elektrische Energie in die Netze einspeisen“, unterstreicht Professor Cai. Das stelle eine Herausforderung für herkömmliche Stromnetze dar. Denn Sonne und Wind richten sich nicht nach dem tatsächlichen Strombedarf. Gleichzeitig kann aber nicht mehr Strom als nachgefragt aus den Erneuerbaren ins Netz eingespeist werden.
Li-Jun Cai sieht darüber hinaus noch eine weitere Herausforderung: Auch der Stromverbrauch werde sich ändern. In Zukunft könnte viel mehr Strom zur gleichen Zeit benötigt werden: beispielsweise, wenn nach Feierabend von vielen Menschen gleichzeitig Handys, Rechner und Tablets geladen werden. Genau hier sollen intelligente Stromnetze ins Spiel kommen. Sie können zum Beispiel dabei helfen, den Ladevorgang der Elektroautos zu optimieren. Insofern sei das intelligente Stromnetz entscheidend für die Energieversorgung der Zukunft. „Eine unserer Hauptaufgaben hier an der Universität Rostock besteht in der Ausbildung von kompetenten Fachkräften und im Aufbau eines wissenschaftlichen Kompetenzzentrums, das Fachwissen bündelt und an die Industrie weitergeben kann“, meint Professor Cai.Text: Wolfgang Thiel
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